Abmahn-Wahn mal anders
Allgemein Juli 12th, 2011Ich habe schon eine Menge Artikel geschrieben, in denen ich mich mit urheberrechtlichen Abmahnungen auseinander gesetzt habe. Darin habe ich immer zwei klare Standpunkte vertreten:
- Ich finde es falsch, die Urheberrechte anderer zu verletzen.
- Die von den Abmahnkanzleien angesetzten Streitwerte und die daraus resultierenden Rechtsanwaltsgebühren sind maßlos übersetzt.
Aus diesem Grunde bewegen sich auch in unserer Kanzlei die Gebühren für die Zurückweisung einer urheberrechtlichen Abmahnung in dem Rahmen, der sich als üblich in Deutschland heraus kristallisiert hat: zwischen 150 EUR und 300 EUR.
Umso entsetzter war ich, als neulich eine Mandantin zu mir kam mit folgendem
Sachverhalt
Sie hatte von dem RA Lutz Schroeder aus Kiel eine Abmahnung erhalten, weil sie sich angeblich einen Porno aus dem Netz geladen und diesen wieder zur Verfügung gestellt haben soll. Hierfür forderte der Kollege als Vergleichsangebot die Zahlung von insgesamt 750 EUR, den Streitwert hatte er auf 50.000 EUR festgesetzt. Die Mandantin, die nur eine Halbtagsstelle und aus diesem Grunde auch nur ein entsprechend niedriges Gehalt hat, geriet in Panik und suchte Hilfe im Internet. Dabei stieß sie auf die Seite eines Kollegen, der Hilfe an einer 24/7 Hotline anbot. Die Mandantin rief dort an und bat um Hilfe und fragte auch gleich danach, was denn diese Hilfe kosten sollte. 250,00 EUR wurde ihr gesagt. Daraufhin bekam sie von der Kanzlei acht eng bedruckte Seiten zum Thema Gebühren, Gebührenvereinbarung und Berechnung der Gebühren. Weil die Zeit bis zur Abgabe der Unterlassungserklärung kurz bemessen war unterschrieb unsere Mandantin dann die folgende Gebührenvereinbarung:
Nachdem die Mandantin dann in aller Hektik (es war ja keine Zeit zu verlieren) die acht verschiedenen Seiten unterschrieben hatte, kam das dicke Ende. Eine Rechnung über 1761,08 EUR! Jetzt werden Sie sagen: Naja, aber sie hat doch unterschrieben, dass eine 1,3 Gebühr aus 50.000 EUR fällig werden. Richtig, hat sie. Aber ist diese Gebührenvereinbarung auch wirksam?
Die Gebührenvereinbarung
Sehen wir uns die Gebührenvereinbarung einmal genauer an – dazu klicken Sie bitte oben auf das Bild, dann wird die Datei in lesbarer Form angezeigt. Schon rein vom Äußeren her handelt es sich bei dieser Vereinbarung um AGB. In jedem neuen angenommenen Mandat wird der Name des Mandanten und der des Gegners ausgetauscht, alles andere bleibt das Gleiche. Es ist also eine für viele Fälle vorformulierte Regelung.
Verwender dieser AGB ist der Kollege Scheffler. Als solchem fällt ihm auch eine eventuelle Unwirksamkeit der AGB zu Lasten.
Die Wirksamkeit
Ob AGB wirksam vereinbart wurden hängt zum einen davon ab, ob der Vertragspartner bei Vertragsschluss die Möglichkeit hatte, von ihnen Kenntnis zu nehmen. Davon können wir hier getrost ausgehen, die Mandantin hat ja unterschrieben.
Aber AGB unterliegen auch einer inhaltlichen Kontrolle. Geregelt ist dies in den §§ 307 BGB ff. So regelt der § 307 I BGB explizit (Hervorhebungen durch mich):
Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
Sind Sie der Ansicht, dass oben abgebildete Vereinbarung klar und verständlich ist? Ich nicht! Zum einen steht dort nicht klar und deutlich, wie viel die Mandantin tatsächlich zu zahlen hat (sondern nur auf einen Gebührenrechner verwiesen, dessen URL man dann auch noch abtippen müsste vom Fax), zum anderen wird sie durch die Hervorhebung der Erläuterung über die Kosten, welche bei Beratungen etc. anfallen in die Irre geführt, denn hier stehen nicht Rahmengebühren und Gebührenfaktoren und Streitwerte, sondern ganz klare, absolute Zahlen, die dem Verbraucher konkret sagt, mit welchen Kosten er zu rechnen hat.
Alles in allem bin ich der Ansicht dass diese Gebührenvereinbarung nicht wirksam ist.
Der Gebührenanspruch
Gleichwohl hat der Kollege für die Mandantin gearbeitet und eine modifizierte Unterlassungserklärung abgegeben. Dafür steht ihm natürlich eine Vergütung zu. Allerdings ist diese auf das „Übliche“ zu begrenzen, wenn es keine wirksame Vergütungsvereinbarung gibt. Das in solchen Fällen Übliche, ich sagte es schon, sind hier zwischen 150 EUR und 300 EUR. Das finde ich auch angemessen.
Aufgrund dessen haben wir die Rechnung so wie sie die Mandantin erhalten hat zurückgewiesen und eine Zahlung von 250,00 EUR angeboten. Wir dürfen gespannt sein, wie die Gegenseite darauf reagiert.
Fazit
Bitte behalten Sie die Ruhe, wenn Sie eine Abmahnung erhalten. Wie Sie in meinem hier geschilderten Beispiel sehen können, gibt es die schwarzen Schafe nicht nur unter den Kollegen der abmahnenden Zunft. Ehe Sie also überstürzt teure 24-Stunden-Hotlines anrufen, nehmen Sie sich die Zeit und schauen Sie genau, an wen Sie sich wenden.
September 23rd, 2011 at 17:48
[…] sie nichts, sonst geht es Ihnen wie meiner Mandantin, die statt der erhofften Hilfe nur noch mehr Ärger fand. Und bitte glauben Sie nicht alles, was Sie im Internet lesen. Der Umstand, dass etwas […]
Dezember 23rd, 2011 at 10:26
[…] und die dahinterstehende Gebührenvereinbarung, die sie geschlossen hatte denke, hatte ich bereits hier […]
März 6th, 2012 at 10:35
Kostenfalle Rechtsanwalt – vom Regen in die Traufe…
Abmahnungen werden aus den unterschiedlichsten Gründen verschickt, sehr oft handelt es sich dabei um Verstöße gegen das Urheberrecht (Musikdownload etc.). Mich hatte es in einer anderen Angelegenheit erwischt. Ein Seniorenheim war der Ansicht, dass ich…
Oktober 24th, 2012 at 17:41
Es ist wohl nicht richtig, wenn Sie behaupten, dass im Falle einer unwirksamen Vergütungsvereinbarung auf die übliche Vergütung abzustellen ist. Vielmehr fallen dann die gesetzlichen Gebühren an (vgl. 4b RVG), welche das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz regelt.