Abschreiben ist billiger
Allgemein, Internetrecht, IT-Recht, Urheberrecht März 15th, 2011Dies dachten sich wohl die Richter des Amtsgerichts Halle (Saale), als sie ihren Beschluss vom 9.3.2011 – Aktenzeichnen 103 II 6314/10 – fassten. auf diesen bemerkenswerten wenn für mich auch in keiner Weise nachvollziehbaren Beschluss macht die Kollegin Kathrin Berger auf ihrer Homepage heute aufmerksam.
Wie auch die Kollegin durfte ich schon die Erfahrung machen, dass Beratungshilfe maximal für eine Abmahnung pro Abgemahntem bezahlt wird. Flattert einem bedürftigen Abgemahnten dann eine zweite Abmahnung ins Haus, muss er selbst sehen, wie er gegebenenfalls den Rechtsanwalt bezahlt, der ihn beraten soll. Dass dies auch rechtens ist, entschied nunmehr das Amtsgericht Halle (Saale) in dem oben genannten Beschluss. Die Richter ging dabei davon aus, dass sich die betroffene Person in den folgenden Verfahren ja auch leicht selbst vertreten könne, da es ja lediglich notwendig sei, dass zuerst gefertigte Schreiben des Rechtsanwalts abzuschreiben und gegebenenfalls anzupassen.
Dass diese Vorgehensweise nicht vorhersehbare negative Folgen für den Abgemahnten haben kann, dass bedenken die Richter nicht. Denn schon allein die Formulierung der Unterlassungserklärung, muss dem Einzelfall angepasst sein. Im Zweifel ist auch die neue Abmahnung so formuliert, dass in ihr ganz andere rechtliche Probleme auftreten als in der ersten Abmahnung, bei der die Beratung über einen Rechtsanwalt erfolgte.
Wenn sich also nach der Ansicht der Hallenser Richter die abgemahnten Internetbenutzer in jeder weiteren Sache nach der ersten Abmahnung selbst vertreten sollen, so ist es für mich nicht einsichtig, warum die Rechteinhaber, die sich ja auch für jede neue angebliche Rechtsverletzung von ihren Anwälten vertreten lassen, dies nicht auch tun müssen. Denn letztendlich sind die massenhaft versendet Abmahnungen nichts anderes als Textbausteine. Und für diese Textbausteine fallen, darüber hatten wir berichtet, gleichwohl Gebühren in Höhe von 0,8 Geschäftsgebühren an. Das Amtsgericht Elmshorn hatte das in seinem Urteil vom 19.01.2011 – Az. 49 C 57/10 – so entschieden.
Fazit
Ich kann nur hoffen, dass gegen diesen Beschluss des Amtsgerichts Rechtsmittel eingelegt wurden. Denn sollte dieser Beschluss Schule machen oder auch die Ansicht von einigen Amtsgerichten, dass zwei zeitnah aufeinanderfolgende Abmahnungen die selbe Angelegenheit im Sinne des § 2 II BeratHiG (Beratungshilfegesetz) darstellen, würde das dazu führen, dass für bedürftige Menschen, eine ordentliche Rechtsberatungs nicht mehr möglich ist. Ob dies allerdings mit dem Grundgesetz vereinbar ist, darf dahingestellt bleiben.
Der nächste daraus folgende Schritt wäre dann, den betroffenen Menschen im Falle eines Falles auch die Prozesskostenhilfe zu verweigern. Entweder weil der Rechtsstreit von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hat, oder weil die Rechtsverteidigung mutwillig erscheint, man hätte sich ja der Abmahnung unterwerfen können.
Wir bei uns in Hamburg verfügen nicht über die Einrichtung der Beratungshilfe, hier gibt es nur die öffentliche Rechtsberatung. Wie diese zu erreichen sind, können Sie gerne hier nachlesen. Allerdings besteht in diesem Falle der das Problem, dass die Mitarbeiter der öffentlichen Beratungshilfe zum einen mit dem Urheberrecht oder auch mit der Materie Filesharing allgemein nicht vertraut sind, auch wirklich nur beratend tätig werden und nur in ganz seltenen Fällen einmal die Gegenseite anschreiben.
Sollten Sie sich also in der Situation befinden, dass Sie eine Abmahnung erhalten haben, sich den Gang zum Rechtsanwalt aber eigentlich nicht leisten können, rufen Sie uns an, wir finden gemeinsam einen Weg.
März 16th, 2011 at 08:32
Dass mein gerade erst veröffentlicher Beschluss gleich eine Reaktion im Internet erfährt, hat mich natürlich gefreut. Lustig finde ich nur, dass Sie die in der Tagespresse so beliebte Formulierung „die Richter“ verwenden, wenn es um eine amtsgerichtliche Entscheidung geht – bekanntermaßen entscheidet das Amtsgericht, von den Sonderfällen des Schöffengerichts, Jugendschöffengerichts und Landwirtschaftsgerichts abgesehen – durch einen Einzelrichter. Schwierig wird es auch mit dem von Ihnen erhofften Rechtsmittel. Denn gemäß § 6 Abs. 2 BerHG ist der richterliche Beschluss unanfechtbar.
März 16th, 2011 at 08:50
Hallo Herr Dancker,
es ist sicherlich richtig, dass es richtiger gewesen wäre „der Richter“ statt „die Richter“ zu schreiben. Aber das ist in meinen Augen nicht das wesentliche Problem.
Problematisch finde ich, wie schon erwähnt die Auswirkungen Ihres Beschlusses. Denn eine Rechtsberatung ist immer individuell, es gibt in jedem einzelnen Fall kleine Besonderheiten, die der Laie auf den ersten Blick im Zweifel nicht erkennen kann. Hat er dann aber erstmal eine UE abgegeben, ob nun abgeschrieben vom Anwalt oder die in der Abmahnung enthaltene oder von mir aus auch ein Mix von beiden, ist er daran 30 Jahre lang gebunden. Nicht ein mal das ist vielen Menschen bekannt.
Ich sehe auch nicht, warum zwei zeitlich nah aufeinanderfolgende Abmahnungen eine Sache im Sinne des Beratungshilfegesetzes sein sollen. Aber da ich immer noch gern dazulerne, würde ich Ihre Argumente dafür gern lesen.
Dieser Beschluss unterstützt in meinen Augen eher noch die Abmahnindustrie. Denn viele Menschen werden sich dann auch sagen: Ehe ich hier irgendwas schreibe was dann nicht ganz passt oder ich mich noch tiefer hineinreite, unterwerfe ich mich doch lieber.
Oder woher soll ein Laie wissen, welche von den abmahnenden Kollegen angesetzten Streitwerte angemessen sind oder nicht? 100.000 EUR für zwei Filme, wie es die Kollegen hier in Hamburg gern tun? Oder 25.000 EUR für einen Porno, wo doch diese Industrie seit Jahren über rückläufige Umsätze klagt und dieser Streitwert daher aus den Wolken gegriffen ist.
Ich glaube aber das der wesentlichste Punkt der ist, dass es tatsächlich eine Menge Menschen gibt, die die Abmahnung erhalten, weil sich jemand Zugriff auf ihr WLAN verschafft hat. Und das sind dann die Menschen, die doppelt bestraft werden.
Beste Grüße
Simone Winkler
Dezember 2nd, 2011 at 14:32
[…] hatte schon an zwei Stellen davon berichtet, dass die Gerichte Beratungshilfe oft nur für einen Fall einer […]