Der Streitwertpoker bei Abmahnungen
Allgemein, Internetrecht, IT-Recht Oktober 7th, 2010In den letzten Tagen hatte ich immer mal über das Thema Abmahnungen geschrieben. Zum Beispiel hier und hier. In letzterem Artikel schrieb ich, die Unterschiede in den Abmahnungen seien gar nicht so groß. Das ist auch nach wie vor richtig. Es gibt allerdings einen Punkt, bei dem ich immer wieder gespannt bin, wenn ich eine der Abmahnungen lese. Die Frage: Wie hoch wird der Streitwert denn dieses Mal angesetzt?
Um nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen, werde ich heute mal nur auf die Abmahnungen sehen, die auch den gleichen Gegenstand haben, den Down- und Upload eines einzelnen Films. Schauen wir einmal:
Leistungsmerkmal | Rechtsgebiet |
---|---|
Zugriff auf Hardwareumgebung und Speicherplatz IaaS | Mietrecht |
Zugriff auf Laufzeit- und Entwicklungsumgebung PaaS | Mietrecht |
Nutzung von Software auf einem Server SaaS | Mietrecht |
Bereitstellung einer Bestimmten Bandbreite | Dienstvertrag |
Pflege, Weiterentwicklung und Aktualisierung der Software | Dienstvertrag |
Bereitstellung von Rechenleistung | Dienstvertrag |
Installation, Implementierung und Anpassung von Software | Werkvertrag |
Wie Sie sehen, liegen die Streitwerte zwischen 10.000 und 50.000 EUR. Sie fragen sich, wie es sein kann, dass der gleiche Umstand (Download eines Films) so unterschiedliche Streitwerte auslöst?
Dem Streitwert kommt in der juristischen Welt erhebliche Bedeutung zu. Zum einen kann sich aufgrund des Streitwertes bestimmen, welches Gericht für den Streit zuständig sein wird, außerdem werden nach dem Streitwert auch die anfallenden Gerichts- und Rechtsanwaltsgebühren berechnet.
Aber wonach bestimmt er sich denn nun der Streitwert? In vielen Fällen ist das ganz einfach. Wenn Sie sich mit jemandem um eine Lieferung im Wert von 20.000 EUR streiten, dann ist der Streitwert 20.000 EUR. Im Falle der Urheberrechtsverletzung ist das nicht ganz so einfach. Hier sind keine konkreten Zahlen greifbar. In einem solchen Fall müssen die Kollegen wohl schätzen, welchen wirtschaftlichen Wert (denn um diesen geht es bei der Bestimmung des Streitwertes) die Sache für ihre Mandantschaft hat.
Dass sie damit auch im Zweifel die für Sie anfallenden Anwaltsgebühren nach oben treiben, ist sicher „nur“ ein Nebeneffekt. Allerdings führt dies dann auch dazu, dass man ganz andere „Vergleichsangebote“ machen kann. Zum Beispiel in Höhe von 850,00 EUR. Bei der Zahlung dieser Summe wären dann die entstandenen Rechtsanwaltsgebühren und der Schadensersatz abgedeckt. Bei Rechtsanwaltsgebühren von 1360 EUR und 10.000 EUR Schadensersatz für die illegale Verbreitung des geistigen Eigentums, ist der Unterschied gewaltig. Dies führt eher zu einer Zahlungsbereitschaft der verunsicherten Verbraucher als ein Vergleichsangebot, dass im Zweifel nur 300 EUR geringer ist, als die Summe aus Schadensersatz und Anwaltskosten.
Interessiert es Sie, wie die Kollegen das machen? Bitte sehr:
- Art der baulichen Ausnutzung (z.B. reines Wohngebiet); - Festsetzung der Bauweise; - Anzahl der Vollgeschosse. |
Leider ist es in den von mir bearbeiteten Fällen noch nie dazu gekommen, dass dieser Streitwert gerichtlich überprüft wurde. Denn bisher ist in noch keiner von mir bearbeiteten Abmahnung tatsächlich ein Gerichtsverfahren angestrengt worden.
In einem weiteren Artikel in den nächsten Tagen werde ich mich dann damit befassen, was denn die verschiedenen Gerichte zum Thema Streitwert in Sachen Download eines einzelnen Filmes sagen.
Januar 23rd, 2011 at 00:36
Liebe Frau Winkler,
erst einmal Hut ab vor Ihrem vorzüglichen Wirken hier!!
Warum ist es – wie Sie oben schreiben – nicht zu Gerichtsverfahren gekommen? Wegen Stillschweigens seitens der Abmahner, Bezahlen oder vorgerichtlichen Vergleichens?
Nach der Abmahnstatistik der Webseite Abmahnwahn (Zahnarzt Müller) kommt es ja praktisch nie zu Klagen! Bei ca. einer Million Abmahnungen pro Jahr soll es zu nur 300 Klagen kommen! (Zahlen von mir vorsichtshalber verdoppelt).
Ich frage mich dann, warum alle die hunderten Anti-Abmahnanwälte dies nicht klar auf ihre Seiten schreiben, daß nach Abgabe der mod.UE kein realistischer Bedarf für weiteres Vorgehen besteht!!
Oder stimmen diese Daten nicht?
Herzliche Grüße
AAK
Januar 23rd, 2011 at 17:44
Hallo AAK,
warum es hier nicht zu mehr Klagen gekommen ist, kann ich nur vermuten, beantworten können das nur die Rechteinhaber selbst.
Ein gerichtliches Verfahren wird immer dann angestrengt, wenn man der Meinung ist, einen Anspruch gegen einen Schuldner zu haben und dieser nicht gewillt ist, diesen Anspruch zu erfüllen. Findet eine Verletzung des Urheberrechts statt, dann hat der Urheber definitiv Anspruch auf Unterlassen und auch auf Schadensersatz. In den gerichtlichen Verfahren geht es also um den Unterlassungs- und/oder den Schadensersatzanspruch.
Ersterer entfällt, wenn die modifizierte Unterlassungserklärung abgegeben wird.
Bleibt der Schadensersatz. Dieser birgt immer die Hürde, dass er beziffert werden muss. Das jedoch ist nicht einfach. Es gibt einige Möglichkeiten diesen zu beziffern. Und mindestens genau so viele Entscheidungen von Gerichten, die den Schadensersatz höher oder niedriger sehen.
Ich mutmaße einfach mal, dass es immer noch genügend Menschen gibt, die sich nach dem Erhalt einer solchen Abmahnung so verunsichern lassen, dass sie die Rechnung der Kollegen bezahlen. Und dies wiederum in einem Maße, dass die Urheber in den anderen Fällen, in denen zumindest eine UE abgegeben wurde das Kostenrisiko eines Prozesses scheuen. Aber wie gesagt, genau können das nur die Kollegen der abmahnenden Zunft beantworten.
Zur Frage, ob die Daten der Statistik stimmen: Da ich die Statistik nicht selbst erstellt habe und auch nicht weiß, woher die Daten stammen, die dort ausgewertet wurden, stehe ich ihr mit der notwendigen Skepsis gegenüber. Was ich allerdings sagen kann ist, dass sie meine eigenen Erfahrungen bestätigt. In noch keinem von mir bearbeiteten Fall ist es zu einer Klage gekommen.
In einem Fall, in welchem die Abmahnung inzwischen fast zwei Jahre alt ist, kam noch am Freitag ein weiteres Schreiben von den Kollegen Waldorf Frommer, dass man noch innerhalb des Verjährungszeitraums im Zweifel Klage erheben werde. Warten wir es ab. Denn bis dieser angebliche Anspruch verjährt, fließt noch viel Wasser die Elbe hinunter.
Ich werde berichten…