Das Oberlandesgericht Frankfurt hat mit einem richtungsweisenden Urteil entschieden, dass Chatprotokolle, die aus einem gehackten Facebook-Account stammen, nicht als Beweismittel in der Presseberichterstattung verwendet werden dürfen. Die Entscheidung stärkt das Persönlichkeitsrecht gegenüber digitaler Berichterstattung und setzt klare Maßstäbe für die Beweiswürdigung im digitalen Zeitalter.
Hintergrund des Falls
Ein Kläger hatte gegen mehrere Medienunternehmen geklagt, weil über ihn unter Namensnennung Aussagen veröffentlicht wurden, die angeblich aus privaten Facebook-Chats stammten. Diese Daten waren den Redaktionen nach eigenen Angaben von einem Hacker übergeben worden. Die Äußerungen hatten einen extrem diffamierenden und gesellschaftlich brisanten Charakter.
Das Problem: Die Presse konnte die Echtheit der Datei nicht zweifelsfrei belegen. Die Datei war weder signiert noch technisch gegen Veränderungen geschützt. Ein vom Gericht bestellter Sachverständiger konnte keine Fälschung nachweisen, aber eben auch keine Authentizität bestätigen.
Kernaussage des Urteils
Das OLG Frankfurt urteilte, dass die Veröffentlichung der Aussagen rechtswidrig war. Weder sei der Wahrheitsgehalt der Äußerungen belegt noch seien die Voraussetzungen einer zulässigen Berichterstattung erfüllt.
Zentrale Punkte der Entscheidung:
- Fehlender Beweiswert: Eine nicht signierte HTML-Datei aus unbekannter Quelle erfüllt nicht die Anforderungen an ein zuverlässiges Beweismittel. Gerade im digitalen Raum ist Manipulation technisch leicht möglich.
- Kein Informantenschutz ohne Prüfung: Die Redakteurin konnte keine ausreichenden Angaben zur Vertrauenswürdigkeit der Quelle machen. Der bloße Verweis auf den Schutz des Informanten reicht bei schwerwiegenden Vorwürfen nicht aus.
- Eingriff in das Persönlichkeitsrecht: Die Verbreitung privater Kommunikation verletzt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und die Vertraulichkeitssphäre. Selbst bei tatsächlicher Urheberschaft wären die Veröffentlichungen problematisch gewesen.
- Keine Beweisvereitelung: Der Kläger hatte seinen Account nach Bekanntwerden der Berichterstattung gelöscht – das Gericht sah hierin keinen gezielten Versuch, Beweise zu vernichten. Auch wäre eine spätere Datei-Sicherung ohne notarielle Begleitung ohnehin nicht beweiskräftig gewesen.
Auswirkungen für Medien und Unternehmen
Dieses Urteil setzt Maßstäbe: Wer auf digitale Beweismittel setzt, muss deren Herkunft und Integrität umfassend prüfen. Für Medienhäuser bedeutet das, dass Verdachtsberichterstattung auf fragwürdiger Datengrundlage rechtlich angreifbar bleibt – auch dann, wenn die Quelle anonym bleibt.
Zudem wird die Bedeutung des Persönlichkeitsrechts in der digitalen Welt deutlich gestärkt. Private Kommunikation – selbst wenn sie digital dokumentiert ist – genießt einen hohen Schutz. Dieser Schutz kann auch strafrechtlich relevante Beschaffungswege wie Hackerangriffe überwiegen.
Unser Fazit
Das OLG Frankfurt hat mit dieser Entscheidung nicht nur dem Persönlichkeitsrecht neuen Raum gegeben, sondern auch die Anforderungen an digitale Beweise und journalistische Sorgfalt verschärft. Das Urteil ist ein Signal an Medien und datenverarbeitende Unternehmen, den Umgang mit digitalen Inhalten rechtlich sauber und technisch sicher zu gestalten.
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