In einer wegweisenden Entscheidung hat die 27. Zivilkammer des Landgerichts Berlin mit Urteil vom 14. Januar 2025 (Az. 27 O 322/24 eV) klargestellt, dass Antragsteller auch ohne Offenlegung ihrer Wohnadresse eine einstweilige Verfügung gegen pressebezogene Persönlichkeitsrechtsverletzungen erwirken können – vorausgesetzt, es bestehen schutzwürdige Gründe für die Geheimhaltung. Dieses Urteil bringt bedeutende Klarheit für Personen, die sich gegen mediale Eingriffe in ihre Privatsphäre zur Wehr setzen möchten, ohne sich weiter öffentlichem Druck auszusetzen.
Hintergrund: Persönlichkeitsrecht vs. Pressefreiheit
Der Fall betraf eine Berichterstattung in einer bekannten Boulevardzeitung über die angebliche Liebesbeziehung eines prominenten Antragstellers mit einer nicht-öffentlichen Person. Die Veröffentlichung umfasste unter anderem spekulative Aussagen über private Umstände sowie Bildmaterial, das ohne Zustimmung der Betroffenen verbreitet wurde. Beide Antragsteller machten geltend, dass diese Form der Berichterstattung ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht verletze.
Die Antragsgegnerin verteidigte sich mit dem Verweis auf das öffentliche Interesse an der Person des Antragstellers sowie einem vermeintlichen Informationsinteresse der Leserschaft.
Gericht: Keine Pflicht zur Angabe der Wohnadresse bei berechtigtem Geheimhaltungsinteresse
Ein zentraler Punkt des Verfahrens war die Frage, ob ein Eilantrag unzulässig ist, wenn die Wohnadresse des Antragstellers nicht genannt wird. Das Gericht entschied hier klar zugunsten des Antragstellers: Die Angabe einer ladungsfähigen Adresse sei grundsätzlich erforderlich, könne jedoch auch durch eine c/o-Anschrift ersetzt werden, wenn die persönliche Sicherheit oder das Risiko weiterer Presseausforschung dies rechtfertige.
Besonders in Verfahren, die sich explizit gegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch die Presse richten, bestehe ein legitimes Interesse daran, private Daten – wie die Wohnadresse – nicht preiszugeben. Nur wenn konkrete Anhaltspunkte vorlägen, dass der Antragsteller unter der angegebenen Adresse nicht erreichbar sei oder sich später seiner Kostenpflicht entziehen wolle, könne dies anders bewertet werden. Beides war im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Klare Grenzen für die Boulevardpresse
Das Gericht hob hervor, dass die streitgegenständliche Berichterstattung – trotz wahrer Tatsachenbehauptungen – unzulässig war. Sie verletze die Privatsphäre der Antragsteller, da sie nicht durch ein überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit gedeckt sei. Spekulative, unterhaltungsorientierte Inhalte allein rechtfertigen keinen Eingriff in die geschützte Privatsphäre – auch nicht bei bekannten Persönlichkeiten.
Entscheidend sei immer die Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht und der Pressefreiheit. Insbesondere bei privaten Informationen ohne gesellschaftspolitische Relevanz überwiegt in der Regel das Interesse der betroffenen Person an Nichtveröffentlichung.
Kein Raum für „Selbstöffnung“
Das Gericht ließ auch das Argument der „Selbstöffnung“ nicht gelten. Wer sich in anderen Zusammenhängen öffentlich äußert, gibt damit nicht automatisch alle Bereiche seines Privatlebens zur freien Berichterstattung preis. Eine selektive Preisgabe von Informationen – etwa zu beruflichen oder früheren privaten Umständen – rechtfertigt nicht die Veröffentlichung völlig neuer, nicht autorisierter Inhalte über das aktuelle Privatleben.
Fazit: Stärkung des Rechtsschutzes gegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen
Das Urteil des LG Berlin setzt ein klares Zeichen: Auch bekannte Persönlichkeiten haben ein Recht auf Schutz ihrer Privatsphäre. Medien müssen sich bei Berichten über private Lebensverhältnisse auf gesicherte, relevante Informationen beschränken – reine Unterhaltung genügt nicht als Rechtfertigung für Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht.
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